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Insolvenzrecht - Der Bundestag reformiert nach langem Hin und Her einige Details der Insolvenzanfechtung.

Die Insolvenzanfechtung, die sich nach §§ 129 ff. der Insolvenzordnung (InsO) richtet, soll dem Zweck einer geordneten Verwertung des Schuldnervermögens im Interesse aller Gläubiger dienen, und sie soll ferner das verteilungsfähige Vermögen des insolventen Unternehmens erhöhen, damit am Ende bei der Verteilung alle Gläubiger gleich behandelt werden. Nun ist mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt eine Reform des Anfechtungsrechts am 05.04.2017 in Kraft getreten. Worum geht es dabei?

Der Insolvenzverwalter hat nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Möglichkeit, Zahlungen die das Unternehmen an einen Gläubiger erbracht hat, rückwirkend anzufechten. Voraussetzung hierfür kann ein enger zeitlicher Zusammenhang mit dem Eintritt der Insolvenz sein oder die Tatsache, dass der Gläubiger von der Krise wusste. Nach bisherigem Recht war die Anfechtung bereits dann möglich, wenn der Gläubiger bei der Zahlung Anzeichen für eine drohende Zahlungsunfähigkeit erkennen konnte. Schon die Gewährung einer Ratenzahlung konnte ein ausreichendes Indiz dafür sein, dass der Gläubiger im Bewusstsein der drohenden Krise gezahlt hatte.

Bisher war es dem Verwalter möglich, rückwirkend für die letzten zehn Jahre vor Eröffnung des Verfahrens Gelder von abgeschlossenen Geschäften wiederzuholen – was für Lieferanten schnell existenzbedrohend werden konnte. Nun wird die Frist für Rückforderungen verkürzt, und es soll mehr Rechtssicherheit in einer begrenzten Zahl von Fällen hergestellt werden. Die folgenden Neuregelungen können für Lieferanten und auch für andere Arten von Gläubigern von Bedeutung sein:

Beliebt bei Insolvenzverwaltern ist die Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO. Diese setzt voraus, dass der später vom Insolvenzverfahren betroffene Schuldner mit dem Vorsatz gezahlt hat, seine Gläubiger zu benachteiligen und dass der Zahlungsempfänger davon wusste. Die Vorsatzanfechtung konnte bisher Transaktionen erfassen, die bis zu zehn Jahre vor dem Insolvenzantrag stattgefunden hatten. Jetzt gilt hier ein zeitlicher Rahmen von vier Jahren. Damit wird ein bedeutendes Anfechtungsrisiko durch die Reform eingeschränkt.

Wenn Gläubiger dem kriselnden Unternehmen mit Zahlungserleichterungen geholfen hatten waren sie nicht selten mit einem Rückforderungsanspruch des Verwalters gestützt auf ein BGH-Urteil konfrontiert worden. Der BGH hatte in solchen Ratenzahlungsfällen eine Vorsatzanfechtung ermöglicht und entschieden, dass der Abschluss einer Stundungs- oder Ratenzahlungsvereinbarung als Beweisanzeichen zu Lasten des Gläubigers zu werten sei. Der Gläubiger wisse hier, dass der Schuldner zahlungsunfähig sei, denn dieser habe ja schließlich um einen Aufschub gebeten.

Allerdings hat der BGH diese Problematik, die zu heftiger Kritik Anlass gegeben hat, später entschärft: Eine Ratenzahlungsvereinbarung sei, wenn sie sich im Rahmen der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs halte, als solche kein Indiz für eine Zahlungseinstellung oder Zahlungsunfähigkeit des Schuldners.

Das Reformgesetz bestimmt nun, es werde vermutet, dass der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit nicht gekannt habe, wenn er mit dem später insolventen Unternehmen eine Zahlungsvereinbarung getroffen habe. Nur wenn der Verwalter diese Vermutung widerlegt, steht ihm künftig der Weg zur Vorsatzanfechtung offen.

Schließlich sieht die Neuregelung auch vor, dass die Vorsatzanfechtung bei einer kongruenten Deckung nicht schon – wie bisher – bei einer drohenden Zahlungsunfähigkeit möglich ist. Der Gläubiger muss vielmehr erkannt haben, dass das Unternehmen tatsächlich zahlungsunfähig war. Damit gelten auch hier etwas höhere Anforderungen. Die Gesetzesänderung schränkt die Anfechtungsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters hier in einem weiteren Punkt ein, der eine hohe praktische Relevanz haben dürfte.

Außerdem sollen Zinsen in Zukunft nicht mehr rückwirkend zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung sondern erst ab Eintritt des Zahlungsverzuges (Mahnung durch den Insolvenzverwalter) geschuldet werden. Dies wirkt der Praxis vieler Insolvenzverwalter entgegen, die Anfechtungsansprüche erst nach Jahren zu verlangen und den hohen gesetzlichen Zinssatz zu beanspruchen.

Es bleibt nun abzuwarten, welche praktischen Auswirkungen die Umsetzung des Gesetzes haben wird. Wahrscheinlich wird die Materie auch zukünftig die Gerichte beschäftigen. Einiges deutet darauf hin, dass die Zahl der Anfechtungsfälle abnehmen wird, weil die Möglichkeit des Verwalters, die Rückzahlung zu verlangen, in einigen Punkten beschnitten worden ist. Eine grundlegende Reform ist zwar nicht verabschiedet worden. Den Kritikern einer zu weitgehenden Anfechtungspraxis kommt das Gesetz aber jedenfalls ein Stück entgegen.

Rostock, den 28.04.2017


Rechtsanwalt Dr. Karsten Kramp

Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht