Gewerbliche Mieter haben jetzt nach der Rechtsprechung bei einem coronabedingten Lockdown eine Grundlage für die Herabsetzung der gezahlten Miete.
Mit Urteil vom 12.01.2022 (XII ZR 8/21) hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass im Falle der Schließung von Geschäftsräumen infolge einer staatlichen Pandemie-Maßnahme grundsätzlich ein Anspruch des gewerblichen Mieters auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB geprüft werden muss. Er hat weiter entschieden, dass die Höhe der gekürzten Miete im Einzelfall festzustellen ist.
Im konkreten Fall war der Textilhändler kik vom Vermieter einer Filiale vor dem Landgericht Chemnitz verklagt worden. Nachdem das Land Sachsen im März 2020 wegen der Corona-Pandemie die Schließung fast aller Geschäfte angeordnet hatte, hatte kik im April keine Miete für die Ladenfläche gezahlt. Das Landgericht Chemnitz verurteilte kik dazu, die volle Miete für den Monat von rund 7850 Euro zu zahlen. Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden reduzierte die Summe um die Hälfte, aber auch dessen Urteil hatte vor dem BGH keinen Bestand. Dieser hatte die Sache zur Aufklärung des weiteren Sachverhalts noch einmal an das OLG zurückverwiesen.
Dabei führte der BGH in seinem Urteil aus, in den Folgen der angeordneten Schließung sei zwar kein Mangel im Sinne der mietrechtlichen Vorschriften zu sehen. Dem Mieter könne jedoch generell ein Anspruch auf Anpassung der Miete zustehen, denn hier sei die sogenannte große Geschäftsgrundlage betroffen. Beide Mietvertragsparteien würden davon ausgehen, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen des geschlossenen Vertrages in dessen Verlauf nicht ändern und die „Sozialexistenz" der Beteiligten nicht erschüttert werde. Im entschiedenen Fall sei es wegen einer Allgemeinverfügung des Landes Sachsen, die zur Schließung der Geschäftsräume geführt hatte, zu einer schwerwiegenden Störung der Geschäftsgrundlage gekommen.
Zudem war dem Mieter das Festhalten am unveränderten Vertrag nach der Urteilsbegründung nicht zuzumuten. Die hoheitlich angeordnete Betriebsschließung für einen gewissen Zeitraum gehe nämlich über das gewöhnliche Verwendungsrisiko des Mieters hinaus. Die dem Mieter entstandenen Nachteile seien Folgen von umfangreichen staatlichen Eingriffen, für die keine der Mietvertragsparteien verantwortlich sei.
Bei der Ermittlung der Miethöhe sei aufgrund einer umfassenden Abwägung zu klären, welche Nachteile dem Mieter durch die Geschäftsschließung und deren Dauer entstanden seien, zum Beispiel welcher Umsatzrückgang in der Zeit der Schließung eingetreten sei – bezogen auf das konkrete Mietobjekt. Zu berücksichtigen sei auch, welche Möglichkeiten dem Mieter zur Verringerung seiner Verluste zur Verfügung standen. Und es dürfe nicht zu einer Überkompensierung der entstandenen Verluste kommen, daher seien etwa staatliche Ausgleichsleistungen im Rahmen der Pandemie bzw. auch Leistungen aus einer Betriebsversicherung des Mieters zu berücksichtigen.